100 Jahre Lauensteintag 1924 – 2024
Festveranstaltung: 14.–16. Juni 2024 in Jena

Inhaltsübersicht des Grundstudiums

Einleitung

Mit den beiden ersten Lektionen des Fernstudiums bekommen Sie einen breiten Einblick in sinnliche und übersinnliche Zusammenhänge, welche durch die Anthroposophie Rudolf Steiners gedanklich erfasst werden können. Durch die Anthroposophie ist es möglich, den Blick auf den Menschen und die Welt zu erweitern, indem spirituelle Wahrnehmungen und Erkenntnisse mit einbezogen werden. Auch wenn Anthroposophie selbst kein Unterrichtsgegenstand ist im konkreten Schulalltag, ist ein Grundverständnis ihrer Grundlagen eine wichtige Basis für ein waldorfpädagogisches Studium.

In den ersten Lektionen werden Sie mit Beschreibungen in Berührung kommen, die für einige Menschen sehr vertraut klingen, bei anderen aber auf Skepsis stoßen können: Es werden die übersinnlichen Wesensbereiche des Menschen, verschiedene geistige Wesen und eine erkenntnis- und übungsmäßige Annäherung an diese Welten.

Wenn man bereit ist, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen, kann es gelingen, unsere Welt und den Menschen tiefer zu verstehen. Dabei ist uns ein undogmatischer und konkreter sowie fragender Umgang mit dem Thema wichtig. 

Lektion 1
Das Wesen des Menschen – anthroposophisch erfasst

Wolfgang Weirauch

In dieser Lektion lernen Sie die von Rudolf Steiner benannten Wesensglieder des Menschen kennen. Dabei geht es zum einen um den physisch-materiellen Leib als Spiegel von Wahrnehmungsvorgängen, ferner um den sogenannten Ätherleib, also die Lebenskräfte des Menschen, die unseren Leib aufbauen, am Leben erhalten und die Grundlage unseres Gedächtnisses bilden. Mit den Bildekräften dieses Ätherleibs sind auch die Gewohnheiten und Temperamente des Menschen verbunden.
Der Mensch wäre aber kein empfindendes und bewusst erkennendes Wesen, hätte er keine Seele und keine geistige Individualität. Durch seine Seele bzw. den Astralleib bildet sich der Mensch einen vielfältigen, mehr oder weniger individuellen Innenraum aufgrund seiner Gefühlswelt und seiner Bewusstseinskräfte. Sie erhalten einen Einblick in die verschiedenen Seelen- und Bewusstseinsbereiche des Menschen.
Physischer Leib, Ätherleib und Astralleib sind aber nur Hüllen, in denen der Mensch mit seinem Ich auf der Erde lebt. Das Ich des Menschen ist seine geistige Wesenheit, seine Persönlichkeit, seine unsterbliche Individualität.

Lektion 2
Einführung in die Anthroposophie

Wolfgang Weirauch

Die zweite Lektion dient dem vertieften Verständnis anthroposophischer Grundlagen. Es wird die Frage aufgeworfen nach dem Sinn der menschlichen Existenz. Wer bin ich als Individualität? Woher komme ich? Welche Aufgabe kann ich während des Lebens ergreifen? Wohin gehe ich nach dem Tod?
Die Darstellung beginnt noch einmal ganz grundlegend mit erkenntnistheoretischen Übungen, wie der Mensch die gesamte Welt – die sinnliche wie auch die übersinnliche – wahrnehmen, denken und erkennen kann.
Weiterhin lernen Sie durch kurze Beschreibungen verschiedene übersinnliche Wesen kennen: Naturwesen und geistige Wesen, wie z.B. die Engel. Sie bekommen einen Einblick, wie Rudolf Steiner die geistig-göttliche Welt dargestellt hat: auf der einen Seite Christus, auf der anderen Seite das Böse.
In einem weiteren Kapitel erfahren Sie etwas über Nah-Todeserfahrungen, das Leben nach dem Tod und die Vorbereitungen auf eine nächste Inkarnation, über Reinkarnation und Karma. Es wird der Unterschied zwischen Vergangenheits- und Zukunftskarma dargestellt und dass das Schicksal des Menschen nicht unabänderlich ist, weil der Mensch aufgrund seiner Freiheitsmöglichkeit sein Schicksal und unsere Welt verändern kann.

Lektion 3
Die Entwicklung des Menschen im Kindes- und Jugendalter

Rainer Kubiessa / Friedhelm Garbe – aktuelle Betreuung: Gabriele Wendt

In Lektion 3 geht es um die Grundlagen der Erziehung und das Verständnis des Menschen als ein sich entwickelndes Wesen. Es werden die Zusammenhänge von seelisch-geistiger und leiblicher Entwicklung in ihren drei Hauptentwicklungsphasen dargestellt.
Die Entwicklung von Gehen, Sprechen, Denken, die Bedeutung der Nachahmung und des Zahnwechsels sind wesentliche Schritte in der Zeit bis zur Schulreife. Prägende Entwicklungsstufen in den ersten Schuljahren und die Lehrerpersönlichkeit als eine vom Kind gesuchte Autorität werden für die zweiten Phase dargestellt.
Die Pubertät als Übergangszeit zur dritten Entwicklungsphase wird gesondert betrachtet. Den sich daraus ergebenden Fragen (z. B. Suche nach Welterfahrung, Entwicklung der eigenen Urteilskraft, Sinn des Lebens) gilt ein weiteres Kapitel.
Das kindliche Lernen kann aus seinem Zusammenhang mit den Seelenfähigkeiten des Wollens (tätige Erfahrung), des Fühlens (seelische Auseinandersetzung) und des Denkens (Verstehen, Erkennen) in allen Phasen produktiv verstanden und begleitet werden. Die sich vollziehenden Verwandlungen des Kindes fordern die innere Haltung des Pädagogen immer wieder neu. Ein daraus inspirierter Unterricht antwortet auf die jeweiligen Entwicklungsbedürfnisse des Kindes und schafft ein Verständnis für auftretende Krisen im Schulalltag.

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Lektion 4
Die Klassenlehrerzeit

Gabriele Wendt

Der Lehrplan der Waldorfschule kann als Antwort auf die in Lektion 3 thematisierten Entwicklungsbedürfnisse verstanden werden. Auf dieser Grundlage werden in Lektion 4 wesentliche Elemente besprochen: Das Erleben und Vertiefen von Inhalten, der Epochenunterricht, die Gliederung des Tages und die Bedeutung des Hauptunterrichts.
Dabei geht es einerseits um methodische Prinzipien wie die Ansprache des Fühlens und die Bildhaftigkeit des Unterrichts. Wie baue ich meinen Unterricht so auf, dass ich immer vom Menschen ausgehe, vom Ganzen zu den Teilen gelange, durch das Tun zum Begreifen komme?
Weiterhin werden die verschiedenen Arbeitsfelder des Klassenlehrers differenziert dargestellt: Die Arbeit an sich selbst, die Arbeit mit den Kindern, die Arbeit mit den Eltern und die Arbeit im Schulorganismus.

Lektion 5
Die Oberstufe der Waldorfschule – Deutsch und Geschichte

Dr. Andre Bartoniczek

Lektion 5 beschreibt zunächst die Entwicklungssituation der Schülerinnen und Schüler im Jugendalter. Daran knüpft sich eine Darstellung der Unterrichtsinhalte der Klassen 9-12 in den geisteswissenschaftlichen Fächern:
In Deutsch werden die Biografien Goethes und Schillers, das Nibelungenlied, Gesetzmäßigkeiten und schöpferische Aspekte der Poetik, Wolfram von Eschenbachs Parzival, die Literatur der Moderne sowie Goethes Faust behandelt.
In Geschichte werden die Wege von der Steinzeit in die Antike, von Sokrates zum „Herbst des Mittelalters“ und vom Anfang der Neuzeit bis in die Gegenwart nachgezeichnet.
Immer wieder werden dabei grundsätzliche Erkenntnisfragen nach der Wirklichkeit der Sprache sowie nach der biographischen und gesellschaftlichen Bedeutung des Geschichtsunterrichts thematisiert.

Lektion 6
Lebendiges Denken

Dr. Klaus Weißinger

In der Waldorfpädagogik und in der Anthroposophie spielt der Begriff des Lebendigen eine wesentliche Rolle.
In Lektion 6 geht es überwiegend darum, sich zu vergegenwärtigen, inwieweit Lebendigkeit im eigenen Denken und in der eigenen Begriffsbildung eine Rolle spielt. Dazu werden Übungen vorgestellt, mit denen man die innere Lebendigkeit im Denken erfahren und verstärken kann. Es handelt sich dabei um geometrische Übungen, welche dafür besonders geeignet sind. Zur Vertiefung dieses Themas werden auch Ausflüge in verschiedene andere Disziplinen wie Mathematik, Philosophie, Wissenschaft, Religion, Literatur und Kunst unternommen.
Darauf aufbauend wird anschließend anhand einiger charakteristischen Beispiele gezeigt, welche Bedeutung lebendige Begriffe bei der Behandlung eines Unterrichtsstoffes haben. Was ist in den einzelnen Klassenstufen grundsätzlich methodisch-didaktisch erforderlich, damit die Kinder und Jugendliche lebendige Begriffe aufnehmen, die sich weiterentwickeln können.

Lektion 7
Die Oberstufe der Waldorfschule – Geografie und Biologie

Wolfgang Debus

In Lektion 7 wird der Übergang von der Mittel- zur Oberstufe dargestellt und Gesichtspunkte zur Entwicklung junger Menschen anhand unterschiedlicher Fragehaltungen und Denkstile in den entsprechenden Altersstufen erläutert. Dabei geht es auch um die Einseitigkeit heutigen naturwissenschaftlichen Denkens, die Frage nach Denkformen, die die komplexen Entwicklungen der globalen Gegenwart erfassen können und um das innere Engagement des Lehrers als Grundlage für einen echten Zugang zur Naturwissenschaft.
An Beispielen aus der Geografie und Biologie wird gezeigt, wie ein Weltbild entsteht und wie in diesen Fächern die Förderung des eigenständigen Denkens bei den Schülern angelegt werden kann. Exemplarische Unterrichtsverläufe vertiefen die Darstellung.

Lektion 8
Interaktionen im Lehrerberuf

Rainer Kubiessa / Friedhelm Garbe – aktuelle Betreuung: Luise Schlesselmann

Lektion 8 behandelt grundsätzliche Fragen des Lehrerberufs. Es geht zunächst um die Beziehung des Lehrers zu seiner Klasse und zum einzelnen Kind in allen ihren Facetten. Es werden Gesichtspunkte entwickelt, wie die Bedürfnisse und individuelle Vielfalt der heutigen Kinder im Unterricht und in den sozialen Begegnungen aufgegriffen und miteinbezogen werden können. Das reicht von der Stundenplangestaltung bis zur Sprache des Lehrers.
Ein weiteres Kapitel bearbeitet das Verhältnis zur Elternschaft. Dabei geht es um Fragen der Information und der aktiven Mitgestaltung, Vertrauensbildung, Rollenverständnis, Umgang mit Konflikten und die Gestaltung von Elternabenden und Hausbesuchen.
Im letzten Teil wird dann die kollegiale Zusammenarbeit in den verschiedenen Gremien an der Schule betrachtet.

Lektion 9
Die differenzierte Wahrnehmung sozialer Beziehungen – Dreigliederung des Sozialen Organismus

Peter Lüdemann-Ravit

Die soziale Dreigliederung war ein Hauptanliegen von Rudolf Steiner und wurde von ihm zeitgleich mit der Gründung der Waldorfschulen in die Öffentlichkeit getragen.
Lektion 9 hat einen vierwöchigen Übungsweg zum Gegenstand. Auf diesem kann erfahren werden, wie die differenzierte Wahrnehmung sozialer Beziehungen eine praktische Hilfe nicht nur in der Selbstverwaltung der Schule ist, sondern auch im familiären Rahmen und beim Verständnis von gesamtgesellschaftlichen Fragen.

Lektion 10
Erziehung als Selbsterziehung

Elke-Maria-Rischke – aktuelle Betreuung: Annabelle Bonje

Lektion 10 beginnt mit der Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf die Größe und Würde des Kindes und auf den beziehungsvollen Umgang mit ihm und in allen Lebensbereichen. Denn stärker und prägender als alle Inhalte und Angebote (wie Geschichten, Spiele usw.) wirken die kleinen Alltäglichkeiten und ein einfühlsamen Umgang auf das kleine Kind.
Es geht um den Gesinnungsraum, den wir für die Kinder bereiten und um die eigene Erweiterung im Erleben der Natur und des Jahreslaufes, damit wir die umfassende Größe des kindlichen Erlebens nicht einengen. Dazu gehört auch die Frage, ob und inwieweit wir mit dem Engel des Kindes zusammenarbeiten können.

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Lektion 11
Vom Sinn des Feste-Feierns – Vorbild und Nachahmung

Elke-Maria-Rischke

Erziehung erweist sich nur dann in positiver Art als fruchtbar, wenn sie mit der Selbsterziehung Hand in Hand geht. Den Anspruch, Vorbild für das nachahmende Kind zu werden, können wir nur erfüllen, wenn wir selbst Vor-bilder, Ideale haben, die wir frei wählen, denen wir folgen wollen.
Da die Waldorfpädagogik einen christlichen Hintergrund hat, werden Anregungen gegeben, wie wir uns den jeweiligen Jahresfesten inhaltlich und substanziell nähern können. In ihnen liegen Kräfte, die uns selbst beschenken und die auch den Kindern nicht vorenthalten werden sollten.